Krankheitsbilder

1. Erworbene Thrombophilie

Hierunter fallen insbesondere das Antiphospholipid-Syndrom (APS):

Definition:  Die Definitionskriterien des Antiphospholipid-Syndroms ist wurden wiederholt überarbeitet und befinden sich gegenwärtig wieder in Überarbeitung. Die letzte Aktulisierung der Definition wurde 2006 vorgenommen. Das Antiphospholipid-Syndrom wird dementsprechend definiert als ein klinisches Krankheitsbild mit rezidivierenden (wiederkehrenden) arteriellen oder venösen thrombotischen Ereignissen oder Aborten in der Gegenwart von Lupus antikoagulans (LA) und / oder einem mittelgradig oder hoch-positiven Antiphospholipid-Antikörper-Test. Der Antikörpernachweis über einen ELISA oder über LA muss auch bei Wiederholungsmessungen positiv sein. 

Lupus antikoagulans (LA): Autoantikörper, welche in vitro mit  Phospholipid-abhängigen Reaktionen interferieren und mit einem Gerinnungstest durch Verlängerung der Gerinnungszeit detektiert werden.

Antiphospholipid-Antikörper (APA): Autoantikörper, welche gegen Phospholipid-Protein-Komplexe gerichtet sind und meist dem Isotyp IgG oder IgM, seltener IgA angehören. Bei den beteiligten Proteinen handelt es sich meist um ß2-Glykoprotein I, Prothrombin, Protein C, Protein S u.a.. Sie werden im ELISA bestimmt.

Klinik: Folgende thromboembolische Ereignisse sind typischer Weise mit einem Antiphospholipid-Syndrom vergesellschaftet:

·        Venöse Thrombosen bei ungewöhnlicher Lokalisation (axillär, renal, portal, in der Vena cava inferior und in den Venen der Retina).

·        Rezidivierende Thrombosen an jedem Ort ohne erkennbare prädisponierende Faktoren, insbesondere bei jungen Patienten.

·         Schlaganfall, Myokardinfarkt, peripheres Gangrän oder eine Ischämie viszeraler Organe (bei Fehlen von Risikofaktoren für eine Atherosklerose, insbesondere bei jungen Patienten).

·         Rezidivierende Aborte.

APS assoziierte Krankheiten: Das APS kann einzeln ohne typische begleitende Erkrankung einhergehen, man spricht dann auch von einem primären APS. Das sekundäre Antiphospholipid-Syndrom geht dagegen immer mit einer Begleiterkrankung einher, zu denen insbesondere folgende Erkrankungen gehören:

Krankheit

Bemerkung 

Sekundäres APS hauptsächlich bei
rheumatischen oder anderen autoimmunen Erkrankungen:

  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
  • Sjögren Syndrom
  • Rheumatoide Arthritis
  • Autoimmune thrombozytopenische Purpura
  • Arthritis psoriatica
  • Systemische Sklerose
  • Sharp Syndrom (mixed connective tissue diseases)
  • Arteriitis temporalis u.a.m.
  • M. Behcet
  • Autoimmune hämolytische Anämie
  • Livedo reticularis
  • Guillan-Barré-Syndrom
  • Autoimmune Thrombozytopenie

Antikörper-Häufigkeit:
     

  • 25 - 50 %
  • 42 %
  • 33 %
  • 30 %
  • 28 %
  • 25 %
  • 22 %
  • 20 %
  • 20%

Primäres Antiphospholipid-Syndrom (ohne erkennbare autoimmune Grunderkrankung)

  • Venöse Thrombosen
  • Arterielle Thrombosen (besonders thrombotischer Schlaganfall)
  • Sterile Endokarditis mit Embolien
  • Klappenerkrankungen
  • Bypass-Verschlüsse sowie Reokklusionen nach PTCA unter Standard-Therapie

Retrospektive Studien haben gezeigt, dass 31 % der Patienten mit APA venöse Thrombosen haben. Patienten mit Lupus antikoagulans bei SLE  haben in 42 % Thrombosen, während Patienten mit  APA bei Infektionen oder nach Arzneimitteln nur in 5 % Thrombosen aufweisen. 30-50 % der Patienten mit venösen Thrombosen erleiden mit hoher Rate (20-50 % / Jahr) Rezidive unter Therapie mit einer INR von 2,0-3,0. Die Therapie erfordert höhere INR-Werte (2,5-3,5) oder chronisch subkutan Heparin.

Akute selbst-limitierende oder chronische Infekte

  • Viral: z.B. HIV, Varizellen, Hepatitis C, Humanes T-Zell-Leukämie-Virus Typ 1
  • Bakteriell: z.B. Syphilis, bakterielle Septikämie
  • Parasitär: z.B. Malaria

Die APA bei Infektionen sind alloimmunogener Art. Sie führen wahrscheinlich nicht zu Thrombosen. Bei HIV-Infektion findet man bis zu 30 % APA. Auch bei gesunden Blutspendern findet man sie bis zu 8 %, jedoch nur mit niedrigem Titer. 

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

  • Phenothiazide besonders Chlorpromazin
  • Phenytoin
  • Chinidin
  • Propranolol
  • Procainamid
  • Hydralazine
  • Interferon-a
  • Amoxicillin

Arzneimittel-induzierte APA sind alloimmunogener Art und führen per se wahrscheinlich nicht zu Thrombosen. In 50 % der Fälle lassen sich bei sorgfältiger Untersuchung bekannte Risiken für Thrombosen nachweisen, die wohl zusätzlich notwendig sind.

Neurologische Erkrankungen

  • Schlaganfall
  • Sneddon-Syndrom (Kombination von Livedo reticularis und cerebralen ischämischen Ereignissen)
  • Early-Onset Dementia 
  • Migräne
  • Akute Lupusenzephalopathie (einhergehend mit einem akuten organischen Hirnsyndrom, Psychose und / oder Krämpfen - auch bezeichnet als aseptische Meningitis.)

Bei einer Vielzahl von neurologischen Erkrankungen finden sich APA. Einige Patienten sind mit ihren großen Gefäßen betroffen, viele mit kleinen Gefäßen. Das Eintrittsalter liegt bei Patienten mit APA rund 10-20 Jahre vor der üblichen altersabhängigen Manifestation und die Rezidivrate ist mit 6-30 % / Jahr ebenso wie die Mortalität (10 % / Jahr) sehr hoch. (Patienten mit Sneddon-Syndrom können auch Ulzerationen der Haut und Thrombozytopenie zeigen.) APA finden sich bei Migräne zu 50%. 

Thrombozytopenie (als primäres Antiphospholipid-Syndrom)

  • Schwere Thrombozytopenie (steroid-insensitiv, mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure behandelbar, )
  • Milde Thrombozytopenie (70-120 /nl, für gewöhnlich nicht therapie-bedürftig)

Thrombozytopenie (als sekundäres Antiphospholipid-Syndrom bei SLE)

  • Die Thrombozytopenie bei SLE ist steroid-empfindlich

Kardiale Erkrankungen 
     

  • Klappenerkrankungen (auf der Basis von Lupus Antikoagulant mit Stenose und Regurgitation)
       
  • Klappenerkrankungen (auf der Basis von PLP-AK,
    nur Regurgitation)
       
  • Herzinfarkte (im Alter von < 30 Jahren, ohne Atherosklerose)

Die Klappen bei SLE zeigen in 26 % Anomalien und Dysfunktion in 5 %

  • bedingt durch Vegetationen meist auf der Mitralklappe bei LA (Embolierisiko)
  • bedingt durch unregelmäßige Verdickungen (keine Vegetationen) bei APA
  • In 9 von 13 Patienten gingen tiefe Beinvenenthrombosen dem Infarkt voraus

Augenerkrankungen

  • Amaurosis fugax
  • Retinale arterielle und venöse Thrombosen

Die Ursache der rezidivierenden Gesichtsfeldausfälle ist eine durch
APA im Bereich der retinalen Endstrombahn induzierte Thrombozytenaggregation.
Bei schweren Formen treten ausgedehnte thrombotische arterielle u. venöse Gefäßveränderungen auf.

Schangerschaftskomplikationen

  • Aborte
  • Plazentainsuffizienz ?
  • Präeklampsie  ?

 

Bei Patientinnen mit SLE treten Aborte in 38 % auf. Frauen mit rezidivierenden Aborten (> 3) haben in 30 % APA. Mit jedem Abort nimmt die Wahrscheinlichkeit, APA zu entwickeln um 10 % zu. APA werden auch ohne erkennbare Autoimmunerkrankung als primäres Antiphospholipid-Syndrom gefunden. Sie sind meist vom Typ IgM und gegen Phosphatidyl-Serin oder -Etanolamin gerichtet. Die Hauptursache für Aborte liegt jedoch im Fehlen von sogenannten blockierenden Antikörpern, die gegen paternale Leukozyten gerichtet sind. 

Katastrophales Antiphospholipid-Syndrom

  • akute, weitverbreitete, nicht-entzündliche, vaskuläre Verschlüsse

  • Mortalität 50 %

Haut

  • Livedo reticularis
  • Raynaud Erkrankung
  • Ulkus
  • Oberflächliche Thrombophlebitis

 

Blutungen

  • Hypoprothrombinämie
  • Thrombozytopenie

Lupus antikoagulans, das als nicht-neutralisierende Antikörper gegen Prothrombin vorliegt, erhöht dessen Clearance. Außerdem stören hohe AK-Titer das Bestimmungsverfahren (cave: falsch niedrige Ergebnisse). Aktivierte Thrombozyten reagieren mit speziellen APA und führen so zur Thrombozytopenie.

Verschiedene Erkrankungen

  • Nebenniereninsuffizienz
  • Sichelzellerkrankung
  • Intravenöser Drogenabusus

Die Nebenniereninsuffizienz entsteht über mikrovaskuläre Thrombosen

Genetische Disposition (Assoziation zu Leukozytenantigenen)

  • DRw53 und DR7 (meistens bei Hispaniern)
  • DR4 (meistens bei Kaukasiern)

Verwandte von Individuen mit Antiphospholipid-Syndrom zeigen vermehrt (33 %) APA.

 

2. Hereditäre Thrombophilie (angeborene Thromboseneigung)

Zahlreiche angeborene Veranlagungen, welche die Entstehung einer Thrombose oder Embolie begünstigen, wurden in den letzten Jahren entdeckt.